Eine lebendige Städtepartnerschaft
Es gibt Partnerschaften, die existieren nur auf dem Papier. Jene zwischen Reichertshofen und dem ungarischen Städtchen Paks gehört nicht dazu. Über ein Vierteljahrhundert ist eine enge Beziehung gewachsen. Am 26. Juli 2014 wird mit einem Festakt der 25. Jahrestag gefeiert. (Programm)
Dabei sind die Verknüpfungen beider Gemeinden viel älter als das. Sie gehen auf die Nachkriegsjahre zurück, als man in Ungarn all jene deutschstämmigen Bürger vertrieb, denen man eine Zusammenarbeit mit den Nationalsozialisten – nicht selten zu Unrecht – vorwarf. Schon der leiseste Verdacht genügte. Reichertshofen gehört zu den Orten, in denen einige Familien damals eine neue Heimat fanden.
Auch heuer hat wieder eine Gruppe ehemaliger und aktiver Gemeinderäte die Einladung der geschichtsträchtigen Donaustadt angenommen. Auf dem Programm standen dabei nicht nur kommunalpolitische Informationsveranstaltungen und kulturelle Führungen. Auch die Pflege freundschaftlicher Beziehungen, die teilweise schon eine Generation überdauern, wurde nicht vernachlässigt.
Untergebracht waren die Gäste aus der Hallertau im „Prelat“, einer dem Vernehmen nach von einem Leibwächter der vatikanischen Schweizer Garde um 1840 erbauten Villa. Noch am ersten Abend erlebten sie eine turbulente Kutschfahrt durch das Schutzgebiet der Mooswiesen von Cseresznyes, vorbei an ungarischen Graurindern (die hier mit einem Schutzprojekt vor dem Aussterben geschützt werden sollen) und durch Wiesen mit wildem Tabak.
Am Abend begrüßte Bürgermeister János Hajdú die bayrischen Gäste auf das Herzlichste und betonte ebenso wie die übrigen Gemeinderäte der 20 000-Seelen-Stadt die Bedeutung des gegenseitigen Austauschs. Bei der abendlichen Zusammenkunft im Gewölbekeller des Weinmuseums erläuterte Jószef Herczeg die Besonderheiten des Weinanbaus in der Region. Natürlich durfte die Delegation auch die eine oder andere Köstlichkeit – vom Partnerschaftsbeauftragten persönlich angebaut, gelesen und auf Flaschen gezogen – probieren. Mit Ausnahme jenes Tropfens, der zum Anlass des 20-jährigen Bestehens der Partnerschaft hergestellt wurde. Die einzige noch verbleibende Flasche wird als Symbol der Dauerhaftigkeit der Beziehungen „gehütet“, wie es Herczeg formulierte.
Auch beim Ausflug nach Eger (Erlau) stand neben einer geführten Stadtbesichtigung nebst Kasematten die „Önologie“ im Fokus. Kein geringerer als Dr. Gal Lajos, Professor am Lehrstuhl für Weinbau in Eger, gab einen Einblick in die Anbauregion Schönfrautal.
Bei einer Zusammenkunft mit den Ratsvertretern ging Hajdu am Samstagvormittag auf die Kommunalreformen in Ungarn ein, die strukturell im Ergebnis nun stark dem deutschen System ähneln. Ganz wie zu Hause durften sich die Besucher am Samstag beim „Tag der deutschen Minderheiten-Selbstverwaltung“, einer Art großem Volksfest, fühlen. Zweiter Bürgermeister Adolf Kothmeier (JWU) gab gar bei der Roger-Schilling-Blaskapelle den Takt an. Sein Pakser Amtskollege Ferenc Leber und Joszef Hirt von der Deutschen Minderheiten-Selbstverwaltung, hatten zu Ehren der Gäste am Abend ihre Presshäuser am Sargödörplatz geöffnet. Zum Dank dafür gab es für die Gastgeber eine original Reichertshofener „Schnupftabak-Maschine“, deren Einsatz allseits für Gelächter sorgte.
In die Vorfreude auf den Gegenbesuch einer Delegation aus Paks zum Paarfest (begleitet von Anna Koszab, die seit Jahren „von Herzen gerne“ ohne Bezahlung rund um die Uhr als Dolmetscherin für die Gruppen dient), mischte sich für die Hallertauer ein mulmiges Gefühl. Auf der Heimfahrt durch den Regen trafen immer mehr Hiobsbotschaften vom Hochwasser ein. Tage später sollte auch Paks betroffen sein.